Umdenken

 

Wir alle kennen die Situation. Wir sind gut drauf und grüssen freundlich die Menschen, die uns begegnen. Doch nicht alle erwidern den Gruss. Manche gehen wortlos vorbei, andere schauen uns nur komisch an und wieder andere drehen den Kopf in eine andere Richtung.

Nun ist die Gefahr gross zu denken, dass das Nichtgrüssen und Nichtbeachten dieser Menschen etwas mit uns zu tun haben könnte, dass diese Menschen wohl etwas an uns stört, dass wir diesen Menschen nicht sympathisch sind, nicht gefallen oder was auch immer.

 

Wieso kommen wir überhaupt auf die Idee, dass wir der Grund sein könnten, von anderen nicht gegrüsst zu werden? Kann es sein, dass in dem Moment ein altes Denkmuster aktiv wird. Ja, das ist naheliegend, denn wir haben, meistens schon in der Kindheit, gesagt bekommen, dass wir schuld seien, wenn sich die Gefühlslage der Erwachsenen plötzlich veränderte.

Deshalb kommt es uns erst gar nicht in den Sinn, dass jemand uns nicht grüssen könnte, weil der sich gerade gedanklich abwesend, genervt oder traurig fühlt.  

Ist es nicht absurd, und zudem auch noch schmerzhaft, immer gleich zu denken, dass der Fehler bei mir liegen muss, wenn andere sich mir gegenüber eigenartig verhalten, mich beschimpfen oder links liegen lassen? Bin ich dafür verantwortlich, was jemand anders denkt, wie jemand sich fühlt oder was jemand sagt? Sicher nicht! Denn diese Prozesse finden ganz klar im anderen Menschen drin statt und kommen durch ihn zum Ausdruck, sozusagen aus ihm heraus. Was da abläuft, hat demnach ausschliesslich mit einem anderen Menschen zu tun. 

 

In die gleiche Kategorie fällt folgendes Bespiel. Eine Frau jammert: „Mein Freund hat mich verlassen. Wenn ich hübscher, intelligenter, reicher, anders … wäre, hätte er mich nicht verlassen. Das ist ein grosser Irrtum. Denn, er hat mich verlassen, weil er so ist wie er ist. Er hat mich verlassen, weil er so denkt, wie er denkt und er hat mich verlassen, weil er so fühlt, wie er fühlt. Er hat es seinetwegen (für sich), nicht meinetwegen (gegen mich), getan. Sein Handeln hat mit ihm selber zu tun und nicht mit mir. Er hat gehandelt, nicht ich. Ich kann nichts dafür, dass seine Vorstellungen und Erwartungen nicht erfüllt worden sind.

Ein weiterer Irrtum ist es zu denken: „Wenn ich ihn besser verstanden hätte, wäre es nicht dazu gekommen, dass er mich verlassen hat“. Ist es denn meine Aufgabe, ihn zu verstehen? Nein, es ist nicht meine Aufgabe, ihn zu verstehen, es ist seine Aufgabe, sich selber zu verstehen. Wie sollte ich ihn verstehen, wenn nicht mal er selber sich versteht, wenn nicht mal er selber weiss, was er wirklich will. Es ist jedoch auch nicht seine Aufgabe, mich zu verstehen. Es ist meine Aufgabe, mich selber zu verstehen. Wie sollte mich denn jemand anders verstehen, wenn nicht mal ich selber mich verstehen kann? 

Wenn ich mir bewusst werde, wie ich denke, kann ich dies sofort ändern. Dann wird es für mich selbstverständlich zu denken: „Er hat mich verlassen, weil er so ist wie er ist (nicht weil ich so bin, wie ich bin). Er hat mich verlassen, weil er sich nicht erfüllt, nicht glücklich, nicht frei fühlte. Er hat mich verlassen, weil er gedacht hat, dass sein Unglücklichsein etwas mit mir zu tun hat. Es ist schade, dass es so gekommen ist. Und es tut weh, dass all meine Träume und Sehnsüchte, ihn betreffend, nicht in Erfüllung gehen werden. Doch wenn er der Mensch gewesen wäre, mit dem ich den gemeinsamen Weg der Liebe hätte gehen sollen, wäre er jetzt nicht gegangen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als seine Entscheidung zu akzeptieren, auch wenn ich es noch nicht verstehen kann.

 


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